Mobbing gegen Betriebsräte
Kündigungen weggeklagt – jetzt doch Betriebsratswahl bei Siebenhaar

Gekündigt – vor Gericht gewonnen – jetzt wählen sie doch ihren Betriebsrat bei Siebenhaar Antriebstechnik, mit Hilfe der IG Metall: Pascal Grummich, David Schwedes und Stefan Kasten sind als Wahlvorstände gewählt. Die Staatsanwaltschaft leitete Vorermittlungen gegen den Arbeitgeber ein. Ein Novum.

26. April 202226. 4. 2022


Seine Kündigung bekam David Schwedes am 24. Februar. Der Grund: Er wollte einen Betriebsrat bei Siebenhaar Antriebstechnik gründen – gemeinsam zwei Kollegen. Viele Beschäftigte hier bekommen gerade mal den Mindestlohn von 9,84 Euro in der Stunde, je nach Gunst und Nase auch mal mehr. Zudem haben sie nur 26 Tage Urlaub. Dabei macht Siebenhaar Antriebstechnik im nordhessischen Hofgeismar gutes Geld, mit Sondergetrieben für Seilwinden, Fallwinden und Baumaschinen.

„Wir wollen, dass die Beschäftigten wieder gerne zur Arbeit kommen“, erklärt David Schwedes (Foto oben Mitte). Er findet, die Firma hat viel Potenzial. Doch von der Firma findet er vor allem böse Briefe in seinem Briefkasten: Abmahnungen. Sein Rekord liegt bei vier an einem Tag. Besagte Kündigung. Eine Rechnung über einen Schaden von 30 000 Euro an einer Maschine, den er bezahlen soll.

„Mittlerweile lache ich darüber. Das ist alles nichtig, reine Schikane“, meint der 27-jährige Zerspanungsmechaniker, der natürlich immer noch im Betrieb ist, ebenso wie seine beiden Mitstreiter Pascal Grummich und Stefan Kasten. Die drei sind gerade von ihren Kolleginnen und Kollegen in den Wahlvorstand gewählt worden. Ihr Job: die Organisation der ersten Betriebsratswahl bei Siebenhaar. Noch vor den Sommerferien soll es so weit sein.
 

Sieg vor Gericht

Sie haben sich nicht unterkriegen lassen. Und sie haben sich Hilfe geholt: Anfang Februar schrieb David Schwedes eine Mail an die IG Metall Nordhessen. Schnell gab es die ersten Treffen. Der Kreis der Interessierten wurde größer.

Und die IG Metall kümmerte sich sofort um ihren Schutz: Am 18. Februar, eine Woche nach dem ersten Kontakt, ließ Gewerkschaftssekretär Andreas Köppe die drei beim Notar als Initiatoren einer Betriebsratswahl registrieren. Seitdem sind sie besonders vor Kündigung geschützt. Früher galt das erst, wenn die Einladung zur Wahl des Wahlvorstands aushing. Doch seit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz im letzten Sommer gilt der Kündigungsschutz bereits für Initiatoren.

Gut so: Denn als eine Woche später die Firma die Kündigung schickte – offiziell aus „betriebsbedingten Gründen“, hatten die drei gute Karten. Sie gewannen mit Hilfe eines Anwalts der IG Metall auf ganzer Linie vor dem Arbeitsgericht.
 

Staatsanwaltschaft leitet Vorermittlungen ein

Die IG Metall Nordhessen informierte zudem die Medien. Ein Zeitungsartikel landete auch bei der Staatsanwaltschaft, die der IG Metall einen Brief mit dem Vermerk „Eilt“ schrieb: „Die Staatsanwaltschaft Kassel führt in Zusammenhang mit dem in Kopie anliegenden Artikel der HNA vom 5. März 2022 Vorermittlungen gegen Verantwortliche der Firma Siebenhaar Antriebstechnik GmbH wegen einer Strafbarkeit nach Paragraf 119 Abs. 1 BetrVG.“ Die IG Metall möge doch prüfen, ob sie einen Strafantrag stellen will.

Paragraf 119 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz besagt: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats […] behindert.“

Bislang haben sich Staatsanwaltschaften eher weniger um Betriebsräte und ihre Rechte gekümmert. Doch das ändert sich offenbar. Derzeit kann die Staatsanwaltschaft noch nicht von sich aus anklagen – das soll sich bald durch einen von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) eingebrachtes Gesetz ändern, sondern ein Beschäftigter oder die Gewerkschaft muss den Strafantrag stellen.
 

„Belegschaft ist gewachsen und steht zusammen“

Den Brief der Staatsanwaltschaft haben sie im Betrieb ausgehängt, damit es alle sehen, auch der Geschäftsführer. Den Strafantrag stellen die IG Metall und die drei Initiatoren erst mal nicht. Brauchen sie nicht. So ein Verfahren kann sich auch über Jahre hinziehen.

Den Betriebsrat bekommen sie schneller hin – mit den Beschäftigten. Neben den niedrigen Löhnen ärgert sie auch die Ungerechtigkeit: bis zu 8 Euro in der Stunde Lohnunterschied – bei gleicher Arbeit, Bezahlung nach Gunst und Nase. Das darf nicht sein. 82 der 145 Beschäftigten waren bei der Wahlversammlung Anfang März dabei. Sie stimmten, bis auf eine Enthaltung, geschlossen für die Betriebsratswahl. Und immer mehr treten in die IG Metall ein.

„Viele Beschäftigte sind total dankbar und sagen: Das hätte schon längst passieren müssen“, berichtet David Schwedes. „Doch früher hat sich einfach niemand getraut. Der Geschäftsführer hat offen gedroht, dass er dann die Firma zumacht. Jetzt jedoch ist die Belegschaft gewachsen. Sie stehen hinter uns. Wir sind keine drei ‚Initiatoren‘ mehr, sondern eine ganze Mannschaft, die zusammensteht.“


Weitere Infos auf der Internetseite der IG Metall Nordhessen

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